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Unser Alltag

Viele köstliche Geschichten …

Therapeutisches Gespräch:

Das Geheimnis

Auch ihre Therapeutin schien auf Granit zu beißen. Wann immer sie ein bisschen nachfragte, wie es ihr in ihrer Gruppe gehe, ob sie sich mit den anderen Kindern oder den Betreuerinnen gut verstehen würde, wie ihr letzter Besuch bei der Mama war – immer kamen knappe Antworten mit wenig Aussagekraft. Alles okay!

Bis die Therapeutin dieses Schminkköfferchen entdeckte. Jemand hatte es den Kindersozialdiensten geschenkt, die eigenen Kinder waren da wohl rausgewachsen. Natascha und sie inspizierten den Inhalt, probierten Lippenstifte und Lidschatten aus und plagten sich mit dem Abschminken vor dem Ende der Stunde. 

Und während Natascha erst sich selbst und dann der Therapeutin die Fingernägel lackierte, erzählte sie von ihrer Mama, wie die sich immer geschminkt hatte, wie sie wütend wurde, wenn sie dabei jemand gestört hat, und wie auch sie dabei ihre Schläge bekam. Und sie erzählt von ihrer eigenen Wut, dass sie nicht zuhause sein darf, dass die vom Jugendamt ihre Mama nicht mögen und noch viele andere unschöne Sachen. 

Natascha weiß, dass ihre Therapeutin das nicht verraten wird, denn sie beide haben ja ein gemeinsames Geheimnis: sie schminken sich in der Therapie-Stunde!

Motopädagogik:

„Sehen Sie, das hatten wir noch nie – er hat einen 1er in Betragen!“

Doch mit jeder Einheit in der Gruppe lernt er mehr, sich an Regeln zu halten, darauf zu achten, was die anderen gerade machen, mit ihnen gemeinsam etwas zusammen zu bringen.

Trotz des manchmal auch „strengen Regiments“ liebt er diese Stunden. Auch die Oma ist dankbar für die Tür-und-Angel-Gespräche, bei denen es immer wieder Tipps für das Leben zuhause mit dem bewegungshungrigen Kind gibt. Nach 2 Jahren ist Eberhart ein Mittelschulkind und dem „Moto-Alter“ eigentlich schon längst entwachsen. Aber er ist immer noch da, weil er so gerne kommt. 

Im Februar, zum Start des 2. Semesters, bringt die Oma das Zeugnis mit. Mit feuchten Augen präsentiert sie es den Pädagoginnen: „Sehen Sie, das hatten wir noch nie – er hat einen 1er in Betragen!“ 

Im + ums Büro:

Der Versuch

Hallo, Lisi! Heute ist doch Montag, du hast doch erst morgen Therapie.

Ich bin so schwach. Hast du etwas Süßes?

Hmmm. Ist es so schlimm, Lisi?

Ja, sehr! Und Vicky ist auch schwach!

Wo ist denn Vicky?

Die wartet unten, dass ich ihr was bringe.

Okay, na dann lass uns nachschauen.

Dann wird der Eiskasten inspiziert, aber das meiste da drin kann Lisis Schwachheit nicht verbessern: nur gesunde Aufstriche, diverse Gemüse und etwas hartes Brot.

Aber der Apfel da, wäre der nicht etwas?

Jetzt muss Lisi nachdenken.

Hast du nicht Schokolade?

Leider, die von letzter Woche ist schon weg.

Na gut, dann nehme ich den Apfel.

Der wird in appetitliche Häppchen geschnitten und Lisi zieht mit einer Hand voll Apfelstücken davon.

Von unten hören wir noch:
Apfel? Naja, geht auch …

Der Vorfall von gestern ist vergessen …

Das weiß auch Sissy, die hier jeden Montag in Therapie ist. Doch es ist Mittwoch, als sie heftig schluchzend ins Büro gestürmt kommt. „Der Markus und der Pauli lassen mich nicht in Ruh‘!“

Natürlich kennen wir auch die beiden älteren Burschen, auf deren Schulweg die Kindersozialdienste liegen. Eine Mitarbeiterin saust mit Sissy wieder hinunter und fängt die beiden ab. Auf der Straße wird dann der Konflikt besprochen, die zwei Straßenritter ziehen grummelnd weiter. Sissy darf noch einmal mit rauf ins Büro und bekommt ein Glas Saft. Eine Freundin von ihr, deren Therapiestunde gerade zu Ende geht, ist dann die geeignete Wegbegleiterin, um noch die letzten misslichen Gefühle zu besprechen. 

Am nächsten Tag kommt Sissy nach der Schule wieder vorbei. Der Vorfall von gestern ist vergessen, dafür bekommen wir fürs Büro eine wunderbare Zeichnung!

„Sag ihr, meine Stunde bei ihr ist mir zu kurz.“

Arthur winkt ihr schon von weitem zu. „Hallo, Eveline! Siehst du heute die Christiane?“ Eveline meint, das könne schon sein, dass Arthurs Therapeutin heute im Büro sein würde. „Kannst du ihr bitte was ausrichten?“ 

„Klar, Arthur, was soll ich ihr denn sagen?“ – „Sag ihr, meine Stunde bei ihr ist mir zu kurz. Das nächste Mal komme ich früher zur Therapie. Okay?“

Ferienbetreuung:

Rauchen ist doch nicht so ihres!

Nach einer ersten, wortkargen Vorstellungsrunde fragt die Therapeutin, ob sie denn Hobbies hätten, was sie zuhause gerne machen würden. „Nix“, Schulter zucken, „weiß nicht“, …

Womit entspannt ihr euch denn, wenn ihr einen echt anstrengenden Schultag hinter euch habt? Pause. Dann: „Ich rauch‘ eine.“ Die Therapeutin erstarrt innerlich, nach außen aber bleibt sie cool. Dann der zweite: „Und was rauchst du?“ …

Im Laufe eines Jahres haben diese drei Burschen gelernt, über Themen, die sie bewegen, zu sprechen, zu reflektieren, sich ihnen zu stellen. Probleme wie heftig streitende Eltern, ein verstorbener Elternteil, eine psychische Erkrankung in der Familie, … all dies lässt sich leichter tragen, wenn man darüber redet. Und manchmal blödelt.

Zwei weitere Burschen sind noch dazu gestoßen und alle waren sich am Ende des Jahres einig: Rauchen ist doch nicht so ihres!

Begleitete Besuchskontakte:

„Ich sage jetzt Manfred zum Papa!“

Die Mama berichtet, wie verängstigt Norbert sei, dass er nach jedem bisherigen Treffen mit seinem Papa Schlafstörungen haben würde. Die Besuchsbegleiterin verspricht, immer in der Nähe zu bleiben, gut auf den 5-jährigen aufzupassen.

Mama bringt Norbert an einem Samstag. Er soll erst die Räumlichkeiten kennenlernen, soll sich mit der Besuchsbegleiterin anfreunden, sich sicher fühlen. Norbert gefällt der große Raum voller Spiele, Turngeräte, Matten und anderer Dinge. Seine Mama zieht sich früher als erwartet zurück.

Er baut sich eine Höhle und es entspinnt sich ein Gespräch mit der Besuchsbegleiterin. „Ich sage jetzt Manfred zum Papa!“ „Aha, und wieso machst du das?“ „Ich hab jetzt einen anderen Papa.“ „Und was hast du denn mit deinem Manfred-Papa immer gemacht, wenn ihr euch gesehen habt?“ „Er hat eine Werkstatt und wir haben gearbeitet!“ „Soso. Was habt ihr denn gearbeitet?“ Dann geht draußen die Tür und Papa kommt. Norbert ruft ihm entgegen „Manfred, machst du meine Höhle größer?“

Die beiden haben 2 Stunden intensiv miteinander gespielt, geturnt, gebaut, gegessen und gearbeitet. „Und wie ist das jetzt mit Manfred? Willst du ihn wieder sehen?“ „Das ist nicht der Manfred, das ist der Papa!“ Und ja, er will ihn wieder sehen.

Kinder trinken keinen Kaffee!

Sie versucht, der Beraterin der Kindersozialdienste Kimis Verhalten zu erklären. Sie wolle ja ihren Vater gar nicht sehen, hätte sie der Mama gesagt.

Die Beraterin gibt Kimis Verhalten so wenig Aufmerksamkeit wie möglich. Sie brauche jetzt einen Kaffee. Ob Kimi auch einen wolle? Die schaut ganz verblüfft auf, lacht dann und sagt: Kinder trinken keinen Kaffee! Ach so! Aber vielleicht kannst du mir bei der Kaffeemaschine helfen?

Oh ja, das kann Kimi, zuhause haben sie auch eine Kaffeemaschine und schon positioniert Kimi die Tasse am richtigen Ort. Während der Kaffee in die Tasse rinnt, kommt Kimis Vater bei der Tür herein. Die Mama grüßt knapp, Kimi stockt.

Die Beraterin sagt zu Kimi: frag doch deinen Vater, ob du ihm auch einen Kaffee machen sollst. Erst sieht Kimi ihn zweifelnd an, dann sagt sie: willst du einen Kaffee? Der Vater bedankt sich bei seiner Tochter für das nette Angebot und Kimi macht sich weiter an der Kaffeemaschine zu schaffen. Dabei erklärt sie ihm, wie die Maschine funktioniert und wie gut sie das kann.

Im Hintergrund verabschiedet sich eine lächelnde  Mama.

Familien mit einem besonderen Kind:

„Mama, mein Fuß ist schön!“ 

Doch Marias Eltern haben für sie gekämpft, haben unterschiedlichste medizinische Einrichtungen konsultiert, Maria musste schon viele Operationen über sich ergehen lassen. Jetzt ist sie 9 Jahre alt und ein liebes freundliches Mädchen. Sie hat mit viel Therapie bei den Kindersozialdiensten St. Martin gehen und sprechen gelernt und mittlerweile liest sie sogar schon gerne einfache Bücher! 

Nach der letzten OP hat die Beraterin der Familie sie und ihre Mama ins Spital geführt. Als ihr der Gips von ihrem Fuß abgenommen wurde, starrte sie darauf und dann rief sie:

„Mama, mein Fuß ist schön!“ 

Maria wird wohl keine Sportlerin werden und auch die orthopädischen Schuhe wird sie immer brauchen. Aber sie hat das Zeug, ein glücklicher Mensch zu werden!

Unser Geschenk

Mina hat heuer mit der Schule angefangen. Ob sie es als Integrationskind in einer normalen Klasse schaffen wird, ist noch nicht sicher, denn sie muss mit mehreren Behinderungen zurecht kommen. 

Bei den Kindersozialdiensten kennen wir sie schon länger und helfen ihr auf unterschiedlichen Ebenen. Jeden Dienstag ist sie in der Ergotherapie und jeden Donnerstag kommt sie zum Lernen. Bei der Psychologin und bei der Ärztin war sie auch schon.

Wir werden sie noch länger begleiten …

Ergotherapie:

“Jetzt ist er schon brav, der Anton. Gell, der hat was dazu gelernt!“

Seinen Papa kennt Albert gar nicht. Dass die Polizei wegen ihm schon 2 mal in der Schule war, macht ihn mehr stolz als betroffen. Klingt alles nicht so gut.

Doch in der Ergotherapie zeigt sich Albert von einer ganz anderen Seite. Wenn er sich an den großen Geräten abgearbeitet hat, unter Anleitung auf der Strickleiter bis an die Decke geklettert ist, dann ist er sehr zufrieden mit sich. Dann erzählt er, dass er so gern einen Freund hätte.

Seit kurzem nimmt die Ergotherapeutin einen zweiten Burschen in Alberts Stunde dazu. Anton ist 7 Jahre und Albert ähnlich, auch er hat ein zerrüttetes Elternhaus, auch er kann ordentlich auf den Putz hauen. Doch Albert ist streng mit ihm, erklärt ihm, wie das in der Therapiestunde läuft, dass er sich an Regeln halten muss. Und der kleine Anton respektiert den großen Albert, der ihn wie ein fürsorglicher Papa behandelt.

Nach einigen Stunden zu zweit meint Albert zur Therapeutin: “Jetzt ist er schon brav, der Anton. Gell, der hat was dazu gelernt!“

„Ja, ganz schlimm! Ich brauch den Doktor!“

Weil er der beste Tormann von Österreich ist, muss die Therapeutin viel Fußball spielen! Immer am Ende der Stunde wird er plötzlich schwer krank, fällt zu Boden, röchelt und kann unmöglich den Raum verlassen. Jetzt muss man dringend die Rettung anrufen!

Er spürt schon, wie es ihm immer schlechter geht! Christiane, die Ergotherapeutin, räumt im Hintergrund auf und meint: „Wirklich, so schlimm ist es?“ Damian: „Ja, ganz schlimm! Ich brauch den Doktor! Röchel, Röchel!“ Christiane: „Okay, dann rufen wir den in der Klasse, wir müssen ja der Lehrerin Bescheid sagen, okay?“ Damian sieht das ein. 

Dann marschieren die beiden über den Gang, probieren auf den Stiegen noch ein kleines Kunststückchen aus, bewundern die neuen Zeichnungen, balancieren auf den Bänken und erreichen schließlich den Klassenraum. „Servus, Damian, bis nächste Woche!“ „Baba, Christiane!“

Da ist Ludwig baff – und still.

Wohl auch, weil Fluffy, der Hund der Therapeutin immer dabei ist. Er liebt die Gruppe ebenfalls und scheinbar speziell die Kinder, die in der Gruppe immer wieder Schwierigkeiten machen. Ludwig ist einer davon.

Von Anfang an hat er die Therapeutin an ihre Grenzen getrieben, hat boykottiert, war destruktiv, hat Anfälle bekommen, wenn er etwas nicht geschafft hat. Auch diesmal wieder. Tobend liegt er in der Mitte des Raumes am Boden und verhindert, dass die Gruppe etwas spielen kann. 

Da schleicht sich Fluffy hinten an der Therapeutin vorbei, kriecht flachgedrückt zu Ludwig hin. Er legt sich zuerst neben ihn, dann steigt er langsam mit einer Pfote über ihn drüber dann mit der zweiten und
schließlich legt er sich ganz auf Ludwig drauf. Da ist Ludwig baff – und still. 

Pascal wird plötzlich fürsorglich.

Beide sind rechte Rüpel und ziemlich kräftig, der eine hat schon mal trotz seiner erst 9 Jahre ein Kind krankenhausreif geschlagen. 

Auch in der Ergostunde geht es laut und ruppig zu. Pascal karniefelt Rene, macht sich über den intellektuell schwachen anderen lustig, treibt ihn bis zur Weißglut. Rene kann sich nicht helfen, wird wild, geht auf Pascal wütend los. Schließlich verkeilen sich die beiden Raufer ineinander und die zarte Ergotherapeutin wird schlicht ignoriert. 

Die überlegt nicht lange und setzt sich auf den einen der beiden drauf. Die beiden unterbrechen irritiert ihren Kampf, sie schaut sie ganz streng an und brüllt: „Aus! Wenn ihr jetzt so weiter macht, müsst ihr sofort aus der Stunde raus!“  Das scheint sie tatsächlich zur Besinnung zu bringen und sie werden ruhiger.

Die Therapeutin ist erstaunt, zeigt es aber nicht. Pascal wird plötzlich fürsorglich, hilft dem ungeschickten Rene beim Schuhe binden. 

Wie würde die nächste Stunde werden? Sie wird ganz anders. Zwar wird es wieder laut und ungestüm, aber mit einem Blick auf die Therapeutin deuten die beiden einander zwischendurch verschmitzt: Pscht!

Lernkakao:

Mirjam gefällt es, sich weiterzubilden.

Ganz glücklich ruft sie Fritz und Christl an, die beiden, die sie im Lernkakao so weit gebracht haben. In der Mittelschule hat die Lehrerin erkannt, dass mehr in dem Mädchen steckt. Obwohl sie nach Sonderschul-Lehrplan unterrichtet wurde, weil sie Probleme mit der Sprache hatte, war sie ein intelligentes Kind.

Die Eltern konnten ihr gar nicht helfen, sie wären auch mit einem baldigen Einstieg ins Arbeitsleben zufrieden gewesen.

Doch einmal im Lernkakao angedockt, wird fortgebildet! Mirjam wurde intensiv gecoacht und als die Mittelschule erfolgreich abgeschlossen war, ging Christl mit ihr in die Schule für Pflegeberufe und meldete sie dort an.

Mirjam gefällt es, sich weiterzubilden. Jetzt überlegen die drei, ob nicht auch die Ausbildung zur Krankenschwester machbar wäre …

Testung/Diagnose:

„Geht‘s dir nicht gut, Leo?“

Mit viel Charme und Überredungskunst kann sie ihn schließlich doch zum Mitmachen bewegen. „Schau, Leo, ich kann nur das beurteilen, was du bei mir machst, und ich glaub‘, dass du ganz viel drauf hast …“ 

Endlich klemmt sich Leo doch dahinter, als plötzlich Tränen kommen. „Geht‘s dir nicht gut, Leo?“ „Ich weiß ja, dass ich das nicht kann, ich bin so schlecht, ich geh allen auf die Nerven!“ 

Die Psychologin ist alarmiert und macht vorsichtig weiter. 20 Minuten weint der 13-jährige Bursche herzerweichend. Dann aber kooperiert er und erledigt alle Test-Aufgaben gewissenhaft. Beim Abschluss-Gespräch mit den Eltern wird dann besprochen, wie man den großen Druck abbauen könnte. Die Psychologin hat ihm versprochen, dass es zwar schon um seine Leistungen ginge, aber noch mehr darum, dass es ihm besser gehen soll! 

“Ich wünsche mir, dass ich wieder zur Mama darf! …“

Jetzt gibt es noch eine allerletzte, ganz besondere Frage: „Lizzi, stell dir vor, eine Fee würde kommen und dir 3 Wünsche erfüllen. Welche wären denn das?“ 

Lizzi denkt nach und dann antwortet sie der Psychologin: “Ich wünsche mir, dass ich wieder zur Mama darf! Und dass der Papa aus dem Gefängnis kommt! Und dass die Oma nicht mehr trinkt, weil dann könnte ich ja zu ihr!“